Schule ohne Rassismus

Schule ohne Rassismus – Schule mit Courage ist eine Initiative für alle Schulmitglieder, die sich aktiv gegen jede Form von Diskriminierung einsetzen wollen. Unsere Schule ist Teil dieser europäischen Jugendinitiative. Die Realschule Rheinmünster hat sich in einer Selbstverpflichtung darauf geeinigt, aktiv gegen Rassismus und alle Formen von Diskriminierung (aufgrund der Religion, der sozialen Herkunft, des Geschlechts, körperlicher Merkmale, der politischen Weltanschauung und der sexuellen Orientierung) vorzugehen. Der Projektansatz bietet Kindern und Jugendlichen einen Rahmen, in dem sie erste Schritte hin zur gesellschaftspolitischen Partizipation einüben und aktiv an der inhaltlichen Ausgestaltung der Menschenrechtserziehung teilnehmen können.
Jedes Schuljahr findet mindestens ein Schulprojekt statt, das die Kinder und Jugendliche für dieses Thema sensibilisiert und stärkt. Koordiniert werden diese Projekte von der Kooperationslehrerin Tanja Seidelmann und der SMV.

Geschichte hautnah – Realschüler erleben einen der letzten Holocaust-Zeitzeugen live

„Danke, dass Sie mit uns Ihre Leidensgeschichte geteilt haben“, hatte eine Schülerin im vergangenen Jahr auf einen kleinen Zettel geschrieben. Vor fast genau einem Jahr war Shlomo Graber, einer der letzten noch lebenden Auschwitz- Überlebenden zu Besuch an der Realschule Rheinmünster. Am 19.3.2019 gab es ein Wiedersehen mit dem 92-Jährigen in der Münstergemeinde. Wie bereits im Vorjahr hatte die Geschichtslehrerin Tanja Seidelmann, an der Realschule Rheinmünster zuständig für das Projekt „Schule ohne Rassismus“, den Besuch und das Zeitzeugengespräch organisiert.
„Das ist die einzige Gelegenheit, die ihr jemals haben werdet, einen Menschen, der dies alles selbst erlebt hat, zu befragen“, so hieß der Rektor Rolf Schemel die 70 SchülerInnen in der Aula willkommen.
Eingestimmt auf den Vortrag wurden die Schüler durch einen kurzen Film über die wichtigsten Lebensstationen von Shlomo Graber. Anschließend begrüßte Rolf Schemel die anwesenden SchülerInnen, Lehrer und Gäste und erteilte dann das Wort an Herrn Shlomo Graber.
Still und ergriffen lauschten die versammelten SchülerInnen den Erzählungen des 92-Jährigen: Geboren wurde Shlomo Graber 1926 in den tschechischen Karparten. Seine Kindheit verbrachte er in Ungarn, bis er im Jahr 1941 mit seiner Familie als Staatenloser nach Polen deportiert wurde. Als sei es erst gestern gewesen, schilderte Shlomo Graber, wie er und seine Familie am 25. Mai 1944 von den Nazis zum Bahnhof getrieben und schließlich in Zugwaggons gepfercht worden waren. „Keiner wusste, wohin es ging. In jedem Waggon waren siebzig Menschen. Sie gaben uns einen Eimer als Toilette und einen weiteren mit Wasser. Es war dunkel und die Kinder weinten. Ich war damals 17 Jahre alt.“ Drei Tage später kam der Zug im KZ Auschwitz an. Dort folgte dann die so genannte „Selektion“, bei der Shlomo und sein Vater von der Mutter und den jüngeren Geschwistern getrennt wurden. Seine Mutter gab ihm bei diesem letzten Kontakt mit auf den Weg: „Sei stark und lass‘ keinen Hass in dein Herz. Liebe ist stärker als Hass, mein Sohn! Vergiss das nie.“ Diesen Rat seiner Mutter, kurz bevor sie mit vielen anderen „in einer Staubwolke für immer verschwand“ und bereits eine Stunde nach Ankunft in Auschwitz ihr Leben in der Gaskammer verlor, hat Shlomo Graber bis heute beherzigt. So antwortete er auch auf die Frage einer Schülerin, ob er bei all der Gewalt und den Erniedrigungen, die ihm widerfahren sind, denn keinen Hass empfunden habe: „Hätte ich Hass gehabt – was wäre besser gewesen?“ Diese Antwort und überhaupt die Begegnung mit einem Menschen, der durch den Nazi-Terror einundsechzig Familienmitglieder verloren hat und dem dadurch nicht seine Menschlichkeit und sein Glaube an das Gute genommen werden konnte, beeindruckte das junge Publikum sehr.
Shlomo Graber überlebte drei Konzentrationslager, musste Zwangsarbeit verrichten und wurde im Februar 1944 von den Nazis im Zuge der Evakuierung des KZs auf einen Todesmarsch geschickt. Diesen überlebten von den ursprünglich 1.500 Menschen nur 500: „Wer zusammenbrach, wurde sofort erschossen.“ Auf unter dreißig Kilogramm abgemagert, wurden Shlomo Graber und sein Vater am 8. Mai 1945 schließlich von russischen Soldaten befreit. Shlomo Graber siedelte 1948 nach Israel über, wo er fast vierzig Jahre lang lebte. Seit 1989 wohnt er mit seiner zweiten Frau Myrtha Hunziker in Basel, wo er als Kunstmaler und Referent tätig ist. So lange er kann will er jungen Menschen von seinen Erfahrungen berichten.
Im Geschichtsunterricht hatten die NeuntklässlerInnen einiges über den Nationalsozialismus und die Judenverfolgung gehört. Am Ende des neunten Schuljahres, spätestens Anfang der zehnten Klasse, steht für die Schüler der Besuch in einem ehemaligen Konzentrationslager auf dem Programm. Nun waren die Dinge, die ihnen im Unterricht so weit weg erschienen waren, plötzlich doch ganz nah und machten betroffen.
„Es ist ganz anders, wenn man es aus den Büchern liest oder von jemand heute erzählt bekommt, denn Herr Graber war ja live dabei“, drückten Marvin, Yannis, Marco und Max ihre Erwartungen, aber auch Eindrücke aus. Nach der abschließenden Fragerunde und der Gelegenheit mit Shlomo Graber ein Erinnerungsfoto aufzunehmen, überreichten die Klassensprecher der 9. Klassen gemeinsam mit Rolf Schemel eine Wortcollage, die von den Jugendlichen gestaltet wurde.